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Es ist essenziell, über ausreichend Hygienewissen zu verfügen

Hygiene in der Zahnarztpraxis mit schülke. Von Fatmir Hoti, Berater für Infektionsprävention und Spitalhygiene, Zürich.

Dem Wissen um grundlegende Hygienemassnahmen, wie z. B. eine ordnungsgemässe Händereinigung und -desinfektion, Reinigungs- und Desinfektionsmassnahmen auf Arbeitsflächen oder auch das Grundwissen um persönliche Hygiene, stehen mittlerweile hochkomplexe Prozesse im Umgang mit Medizinprodukten oder immer neue Entwicklungen bei Mikroorganismen gegenüber. Insbesondere antibiotikaresistente Bakterien stellen uns vor enorme Herausforderungen.

Durch die Tatsache, dass Hygiene bzw. richtiges und korrektes hygienisches Verhalten jeden betrifft, ist es essenziell, dass ausreichendes Wissen darüber verfügbar ist. Während im Bereich der Spitäler bereits seit Jahrzehnten das Thema Hygiene im Bundesgesetz verankert ist, setzt man sich auch im niedergelassenen Bereich verstärkt mit dieser Thematik auseinander. In einer Praxis ist die Verantwortung für den hygienisch einwandfreien Betrieb einem Hygieneverantwortlichen zu übertragen.

Einzelne Aufgaben können an entsprechend geschulte Mitarbeiter delegiert werden, wobei diese Delegation dokumentiert sein muss. Die Anforderungen an die Hygiene in einer Praxis sind an deren Aufgabenstellung, die Art der erbrachten Leistungen, die Patientenfrequenz und das Gefährdungspotenzial besonderer Erkrankungen anzupassen. Der leitende Zahnarzt oder der Hygieneverantwortliche hat eine Abschätzung des Infektionsrisikos vorzunehmen und die erforderlichen Hygieneanweisungen dem Leistungsspektrum der Praxis anzupassen.

Hygieneplan

Die Anforderungen an die Hygiene sind entsprechend der Risikobewertung an die jeweilige Zahnarztpraxis in einem Hygieneplan festzulegen. Schriftlich zu dokumentieren sind:

1. Schulung und Information der Mitarbeiter über allgemeine Hygieneerfordernisse

2. Information und Verantwortung für Reinigung, Desinfektion und Abfallentsorgung der Praxis (Reinigungs- und Desinfektionsplan)

3. Gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation der Entsorgung

4. Information und Verantwortung für die Aufbereitung (Reinigung, Desinfektion und gegebenenfalls Sterilisation) von Instrumenten

5. Verfahrensanweisungen für den Aufbereitungsprozess

6. Gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation der Aufbereitung, auch wenn die Aufbereitung für die Praxis (teilweise oder gesamthaft) durch einen externen Auftragnehmer durchgeführt wird.

Behandlungsräume

Die Grösse von Behandlungsräumen, die der Untersuchung, Diagnostik und Therapie von Patienten dienen, hat sich an der Patientenfrequenz, am Leistungsangebot und Risikoprofil der erbrachten Leistungen zu orientieren. In Behandlungsräumen mit Kontaminationsrisiko sind ein Handwaschplatz mit Warm- und Kaltwasser, die erforderlichen händebedienungsfreien Spender für Seife und alkoholischem Händedesinfektionsmittel, Einmal-Papierhandtuchspender sowie ein Abfallkorb sicherzustellen. Einmalhandschuhe und Hautpflegemittel sind vorrätig zu halten; im Bedarfsfall sind Gesichtsmaske, Schutzbrille und Schutzkleidung (Kunststoffeinmalschürzen) zur Verfügung zu stellen. Behandlungsliegen, Untersuchungsmobiliar und Sitzgelegenheiten im Behandlungsraum müssen mit leicht zu reinigenden, desinfizierbaren Oberflächen ausgestattet sein. In Behandlungsräumen sind natürliche Pflanzen in Erde sowie der Zutritt von Tieren in diese Räumlichkeiten nicht zulässig.

Reinigung und Desinfektion

der Praxis Maximale Infektionsprävention hat allerhöchsten Stellenwert, um sowohl Patienten als auch Personal zu schützen. Untersuchungen zeigen, dass Mikroorganismen, wie Staphylococcus aureus (und dessen resistente Variante MRSA), ohne ausreichende Dekontaminationsmassnahmen bis zu mehreren Monaten auf unbelebten Flächen noch nachgewiesen werden konnten. Influenzaviren werden durch Tröpfchen- und Schmierinfektion übertragen. Bakterien und Viren können zum Beispiel über mehrere Tage an Oberflächen und Türgriffen, Treppengeländern oder Geschirr überleben. Zur Infektion der Kontaktperson kommt es, wenn die Erreger anschliessend auf die Schleimhäute (meist der oberen Atemwege) gelangen und sich dort vermehren.

Die wirksamste Art der Vorbeugung ist die Unterbrechung der Übertragungskette. Dies kann mittels Händedesinfektion und konsequenter Flächendesinfektion erfolgen. Eine regelmässige gründliche Reinigung und Desinfektion der Praxis hat deshalb unabhängig vom Grad der zu erwartenden Verschmutzung zu erfolgen. Entsprechende Arbeitsanweisungen für die routinemässige und fallbezogene Reinigung und Desinfektion sind unter Berücksichtigung spezieller Erreger, wie z. B. MRSA, Noroviren oder Clostridium difficile, im Hygieneplan vorzusehen. Zusätzlich sind die speziellen, praktischen Angaben WAS, WANN, WIE, WOMIT und VON WEM zu reinigen bzw. zu desinfizieren ist, übersichtlich in einem Reinigungs- und Desinfektionsplan festzuhalten.

Die Reinigung der Praxis ist bei wechselndem Reinigungspersonal mit Datumsangabe zu dokumentieren und abzuzeichnen. Eine Desinfektion von kontaminationsgefährdeten Einrichtungsoberflächen (z. B. patientennahe Flächen wie Liegen, Handläufen, und dergleichen) erfolgt in regelmässigen Abständen sowie anlassbezogen.

Die Auswahl der Desinfektionsmittel ist nach Anwendungszweck und benötigtem Wirkspektrum zu treffen, wobei Desinfektionsmittel zu verwenden sind, die in Expertisenverzeichnissen anerkannter Fachgesellschaften (VAH) gelistet sind. Nachweise über spezielle Wirksamkeiten – wie gegen Noroviren – sind im Bedarfsfall beim Hersteller anzufordern.

Praxispersonal

Alle Mitarbeiter einer Zahnarztpraxis sind vom Praxisinhaber oder Hygieneverantwortlichen nachweislich über potenzielle Infektionsquellen, Infektionswege und erforderliche Sicherheitsmassnahmen in Kenntnis zu setzen. Die Schulung hat insbesondere folgende, grundlegende Informationen zu enthalten und ist zu dokumentieren:

1. Infektionskrankheiten und ihre Verbreitung

2. Infektionsrisiken in der Praxis

3. Risiken im Zusammenhang mit Verletzungen durch scharfe oder spitze medizinische Instrumente und dem dadurch möglichen Kontakt mit Blut oder anderen potenziell infektiösen Stoffen oder sonstigen gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen

4. Allgemeine Hygieneerfordernisse in der Praxis

5. Die in der jeweiligen Praxis angewendeten speziellen Massnahmen
zur Hygiene

6. Die Verantwortlichkeiten in der jeweiligen Praxis und allfällige Vertretungsregelungen.

Fachliche Einweisungen der Mitarbeiter durch den Hygieneverantwortlichen der Praxis sind zu dokumentieren, ebenso wie Anweisungen und Schulungen durch Hersteller/Vertriebspartner zur Reinigung, Aufbereitung und Sterilisation bestimmter Medizinprodukte. Gesonderte Schulungen des Personals durch externe Personen bzw. Einrichtungen sind nur erforderlich, wenn dies vom Hersteller vorgegeben ist. In Bereichen mit erhöhtem Kontaminationsrisiko (z. B. Arbeiten mit Patientenproben) sind die Mitarbeiter unter Beachtung des Risikoprofils der Praxis und dem jeweiligen Arbeitsbereich mit zweckmässiger Arbeitskleidung auszustatten. Diese ist entsprechend regelmässig zu reinigen, bei sichtbaren Verschmutzungen umgehend zu wechseln. Gemäss dem Risikoprofil des in der Praxis ausgeübten Leistungsspektrums wird Arbeitskleidung getrennt von der Privatkleidung gelagert.

 

Händehygiene

Die Durchführung richtiger Händehygienemassnahmen ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Unterbrechung der Infektionskette. Waschen mit Seife erfolgt zur Reinigung der Hände nach Verschmutzung und ersetzt keine hygienische Händedesinfektion. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen:

Eine gründliche Händewaschung  kann die Keimzahldichte nur um bis zu 80 Prozent reduzieren, die Händedesinfektion dagegen über 99,99 Prozent. Die hygienische Händedesinfektion dient nicht nur dem Schutz der Patienten, sondern schützt auch die Mitarbeiter selbst. Bereits der kleinste Riss ist bei ausgetrockneter Haut ein Reservoir für Mikroorganismen und somit auch Infektionsquelle. Eine konsequente Hautpflege ist daher unerlässlich. Bei allen Tätigkeiten mit unmittelbarem Patientenkontakt ist auf gepflegte, natürliche, kurzgeschnittene Fingernägel zu achten. Handschmuck und künstliche Fingernägel sind zu vermeiden. Bei sterilen, chirurgischen Eingriffen sind diese unzulässig. Laut Bundesamt für Gesundheit ist eine hygienische Händedesinfektion nach jedem Kontakt mit offenen Wunden oder Hautschädigungen durchzuführen, wobei auch auf eine ausreichende Benetzung von Fingerkuppen und Interdigitalbereiche zu achten ist. Die WHO hält grundsätzlich folgende Indikationen für Händedesinfektion fest: Die Hände sind vor jeder Desinfektion trocken zu halten, um eine Verdünnung des Desinfektionsmittels und damit einen Wirksamkeitsverlust zu vermeiden. Die Händedesinfektion hat über 30 Sekunden mit einem alkoholischen Händedesinfektionsmittel zu erfolgen, welches bei einer anerkannten Fachgesellschaft (VAH) gelistet ist. Auf spezielle Wirksamkeiten ist im Anlassfall (z. B. Verdacht auf Norovirus) zu achten.

VOR Patientenkontakt
Um den Patienten vor Kolonisation mit Erregern, welche die Hand der Mitarbeiter temporär besiedeln, zu schützen.

VOR aseptischen Tätigkeiten
Um den Patienten vor dem Eintrag von potenziell pathogenen Erregern, inklusive seiner eigenen Standortflora, in sterile/nicht kolonisierte Körperbereiche zu schützen (z. B. vor Konnektion/ Diskonnektion eines invasiven Devices (z. B. einer Venenkanüle) unabhängig vom Gebrauch von Handschuhen).

NACH Kontakt mit potenziell infektiösen Materialien
Zum Schutz des Personals und der erweiterten Patientenumgebung vor potenziell pathogenen Erregern sowie zum Schutz nachfolgender Patienten z. B. nach Kontakt mit Körperflüssigkeiten und Exkreten, Schleimhäuten, nicht intakter Haut oder Wundverbänden sowie nach dem Ausziehen der Handschuhe.

NACH Patientenkontakt
Zum Schutz des Personals und der erweiterten Patientenumgebung vor potenziell pathogenen Erregern sowie zum Schutz nachfolgender Patienten (nach direktem Patientenkontakt im Sinne eines direkten Körperkontaktes und nach dem Ausziehen der Handschuhe).

NACH Kontakt mit der direkten Umgebung des Pflegebedürftigen
In Arztpraxen nach dem Kontakt z. B. mit der Patientenliege.

Kontaminationen

Bei Kontamination von Haut, Auge oder Mundhöhle mit anderen Körperflüssigkeiten bzw. Ausscheidungen ist eine intensive Spülung mit nächst erreichbarer, geeigneter Flüssigkeit, z. B. Leitungswasser, Ringer- oder Kochsalzlösung durchzuführen. Bei Kontamination von geschädigter oder entzündlich veränderter Haut ist mit Wasser und Seife eine gründliche Reinigung durchzuführen. Danach ist die Hautoberfläche mit grosszügiger Einbeziehung des Umfelds um das kontaminierte Areal, falls verfügbar, mit einem mit Wunddesinfektion satt getränkten Tupfer abzureiben. Bei Aufnahme in die Mundhöhle ist das aufgenommene Material sofort und möglichst vollständig auszuspucken; danach ist die Mundhöhle ca. vier bis fünf Mal mit Wasser oder Schleimhautantiseptikum auszuspülen. Jede Portion ist nach etwa 15 Sekunden intensivem Hin- und Herbewegens in der Mundhöhle auszuspucken (keinesfalls darf diese Flüssigkeit geschluckt werden). Im Falle von Stich- oder Schnittverletzungen ist der Blutfluss durch Druck auf das umliegende Gewebe zu fördern (> 1 Minute). Danach ist eine intensive antiseptische Spülung bzw. Anlegen eines antiseptischen Wirkstoffdepots vorzunehmen.

Medizinische Gebrauchsgegenstände

In Zahnarztpraxen dürfen nur CE-gekennzeichnete Medizinprodukte in der vom Hersteller festgelegten Zweckbestimmung verwendet werden. Sollten Einmalinstrumente zur Anwendung kommen, müssen sie gemäss ihrer Bestimmung nach dem einmaligen Gebrauch entsorgt werden. Die Haltbarkeitsdaten sind bei Bestellung und Lagerhaltung von Materialien zu beachten. Sollten Mehrweginstrumentarien eingesetzt werden, so hat der Aufbereitungsprozess gemäss den Vorgaben des Herstellers zu erfolgen. Dies gilt ebenso für deren Reinigung, Desinfektion und gegebenenfalls Sterilisation. Medizinisches Gebrauchsmaterial ist entsprechend staub- und feuchtigkeitsgeschützt zu lagern. In der Praxis ist zwischen reinem und unreinem Material zu unterscheiden, wobei gebrauchtes Material immer als unrein zu behandeln ist. Die Verwechslung mit reinem Material muss ausgeschlossen sein. Die Patientenversorgung erfolgt stets mit reinem Material (d. h. gereinigt und/ oder desinfiziert und gegebenenfalls sterilisiert). Material, das zur Aufbereitung vorgesehen ist, wird in eigenen Sammelbehältern aufbewahrt und zur Aufbereitung gebracht. Für die Aufbereitung existieren Anweisungen, die den betroffenen Mitarbeitern nachweislich bekannt sind. Aufbereitetes und reines Material ist kontaminations-, staub- und feuchtigkeitsgeschützt zu lagern.

Aufbereitung von Medizinprodukten

Die Aufbereitung von Medizinprodukten umfasst die Reinigung, Desinfektion und ggf. Sterilisation einschliesslich der damit zusammenhängenden Arbeitsschritte sowie die Prüfung und Wiederherstellung der technisch-funktionellen Sicherheit nach Inbetriebnahme zum Zwecke der erneuten Anwendung. Der Prozess hat sicherzustellen, dass von dem aufbereiteten Medizinprodukt bei der folgenden Anwendung keine Gefahr von Gesundheitsschäden, insbesondere im Sinne von Infektionen, pyrogenbedingten Reaktionen, allergischen bzw. toxischen Reaktionen oder aufgrund veränderter technisch-funktioneller Eigenschaften des Medizinproduktes auftreten. Durch den Aufbereitungsprozess und durch das aufbereitete Medizinprodukt darf die Sicherheit von Patienten, Anwendern und Dritten nicht gefährdet werden. Für die Aufbereitung von bestimmungsgemäss desinfizierten oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten ist in der Praxis eine eigene Zone für unrein und rein bzw. steril vorzusehen. Die Zoneneinteilung kann räumlich oder zeitlich erfolgen, die Trennung zwischen den einzelnen Zonen kann auch innerhalb eines Raumes stattfinden. Ein Zahnarzt oder ein Mitarbeiter ist als Verantwortlicher für den Aufbereitungsprozess dokumentiert zu benennen.

Abfallentsorgung

Abfälle sollen möglichst nah am Ort ihrer Entstehung gesammelt werden, um das Kontaminationsrisiko zu minimieren. Kanülen und sonstige verletzungsgefährdende spitze oder scharfe Gegenstände (z. B. Nadeln, Ampullenreste, Lanzetten, Skalpellklingen usw.) werden sofort nach Gebrauch am Arbeitsplatz in stich- und bruchfeste, flüssigkeitsdichte, fest verschliessbare und undurchsichtige Behälter abgeworfen. Die vollen Behälter werden fest verschlossen und nicht mehr geöffnet. Die Abfallbehälter sind so zu lagern, dass eine Gefährdung Dritter sowie eine missbräuchliche Verwendung ausgeschlossen ist.

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